Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.
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DGB-Stellungsnahme 03/2020

Berlin, 06.03.2020

Stellungnahme 03/2020

Fehlender Zugang zu gesundheitlichen Informationen über das Coronavirus in Gebärdensprache und mit Untertiteln

Viele Gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinderungen sind derzeit wegen des Coronavirus besorgt und verunsichert. Sie stoßen durchgehend auf Barrieren, angefangen bei der Ansteckung. Ganz nach dem Vorbild der Ansteckungskette handelt es sich um eine regelrechte Barrierekette! Ein Videofilm des Vereins „Gemeinschaft, Inklusion, Bildung sind da“ (GIBDA e. V.) gibt dem Protest Ausdruck. Der Film mit dem Titel „Coronavirus – Risiken durch Ignoranz in punkto Aufklärung in Gebärdensprache“ in Deutscher Gebärdensprache und mit Ton und Untertiteln findet weite Verbreitung.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat auf seiner Website über das Coronavirus informiert und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat am 04.03.2020 eine Regierungserklärung zur Bekämpfung des Coronavirus abgegeben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) klärt auf seiner Website ausführlich über COVID-19 auf. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat Antworten auf häufig gestellte Fragen zum neuartigen Coronavirus auf ihrer Website veröffentlicht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat auf seiner Website den „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ veröffentlicht. Das Auswärtige Amt (AA) stellt auf seiner Website Informationen über das Coronavirus für Reisende bereit.

All diese sehr wesentlichen Gesundheitsinformationen sind jedoch nur in deutscher Schriftsprache und deutscher Lautsprache verfügbar. Sie sind nicht barrierefrei bzw. für Gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinderungen nicht zugänglich, da die deutsche Schrift- und Lautsprache für sie eine Fremdsprache ist. Dies widerspricht der Notwendigkeit, dass sie in der Lage sein müssen, rechtzeitig zugängliche Informationen in Deutscher Gebärdensprache, ihrer Muttersprache, und mit Untertiteln zu erhalten, um bestmöglich für die eigene Gesundheit zu sorgen und die Ausbreitung von Infektionen zu minimieren.

Durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), die EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Webseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen und durch die Artikel 8, 9, 11, 21 und 25 der UN-Behindertenrechtskonvention hat Deutschland sich verpflichtet, die Zugänglichkeit zu gesundheitlich relevanten Informationen in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln sicherzustellen. Alle fünf Bundesbehörden (BMG, RKI, BZgA, BBK und AA) dürfen laut BGG nicht benachteiligen bzw. diskriminieren. Dies tun sie jedoch in unserem aktuellen Fall. Sie müssen sich umgehend mit der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit in Verbindung setzen und für Abhilfe sorgen.

Andere Länder, z. B. Italien, Österreich und die USA haben bereits umgesetzt, dass Gebärdensprachdolmetscher/-innen vor Ort bei Pressekonferenzen eingesetzt und live im Fernsehen bzw. Internet übertragen werden. Das sind vorbildhafte Beispiele.

Daher appelliert der Deutsche Gehörlosen-Bund an alle öffentlichen Stellen des Bundes, alle lebenswichtigen Informationen in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln auf den Webseiten sowie über die sozialen Medienkanäle (Facebook, Twitter, Instagram) zur Verfügung zu stellen und alle übertragenen öffentlichen Ankündigungen, z. B. Pressekonferenzen, mit Live-Untertiteln zu versehen. Diese Informationen müssen zudem von qualifizierten Gebärdensprachdolmetscher/-innen vor Ort bereitgestellt werden.

Wir haben fünf Bundesbehörden in den letzten Tagen bereits angerufen und kontaktiert, doch stehen die konkreten Antworten zugunsten der besorgten gehörlosen Mitbürger/-innen bisher noch aus. Mit dieser Stellungnahme möchten wir auf unsere verbrieften Rechte hinweisen. Ansonsten sehen wir uns gezwungen, Anträge auf die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle nach § 16 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) einzureichen, um weitere Abhilfe zu erreichen.

Die Stellungsnahme 03/2020 in pdf-Datei können Sie herunterladen und gerne weiterleiten.